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Bischofswort

Was darf ich hoffen?

So lautet eine der berühmten Grundfragen, die der Philosoph Immanuel Kant, der vor 300 Jahren geboren wurde, gestellt hat. Mit dieser Frage nach der Hoffnung wird jener Bereich der Wirklichkeit angesprochen, der sich der Messbarkeit und der Berechnung entzieht. Jenseits der Grenze dessen, was ich sicher weiß, kann der Mensch davon ausgehen, dass eine Dimension existiert, die dem Leben Sinn und Orientierung gibt, eben den Bereich von Glaube und Religion, ohne den moralische Ansprüche oft ihren Begründungszusammenhang einbüßen. Soweit die Theorie, doch wie sieht die Praxis aus?
Ein Kranker, der die Hoffnung auf Genesung aufgegeben hat, der hat schon verloren. Wem die Hoffnung schwindet, dem schwinden auch die Kräfte, der hat keine Perspektive mehr, wie es im Leben weitergehen könnte, und damit auch keine Motivation, zu leben. Hoffnungslosigkeit führt zu Antriebslosigkeit. Ein Mensch gibt auf.
Viele klagen heute über Hoffnungslosigkeit, auch viele junge Menschen. Das ist besonders bedrückend. Denn eigentlich ruht auf jeder jungen Generation wiederum die Hoffnung der älteren. Wohin führt der Weg, wenn alle Hoffnung immer mehr schwindet? In Dantes „Göttlicher Komödie“ steht groß über dem Höllentor: „Lasst, die ihr hier eintretet, alle Hoffnung fahren!“ Ein Ort ohne Hoffnung, das ist die Hölle, ein Zustand der Gottesferne, ja der Gottlosigkeit. Sind wir etwa alle auf dem besten Weg dorthin?
Ich bin kein Pessimist und ich halte auch nichts davon, den Zustand der Welt und der Menschheit zu dramatisieren. Wahrscheinlich gibt es viel mehr Anzeichen für lebendige Hoffnung als wir denken. Vielleicht müssten wir einfach mal öfter darüber sprechen, was mir selbst Hoffnung gibt. Doch es darf auch niemanden unberührt lassen, wenn der Eindruck der Hoffnungslosigkeit um uns herum immer mehr zunimmt.

Das Jahr 2025 ist ein Heiliges Jahr und damit eine besondere Zeit, die der Erneuerung des Glaubenslebens in der ganzen Kirche dienen soll. Papst Franziskus hat dieses Jahr unter das Motto gestellt: „Pilger der Hoffnung“. Ja, Pilger der Hoffnung sollen die Christen sein, weil sie doch eigentlich allen Grund für Hoffnung haben. Die Dimension des Glaubens überschreitet die Grenzen, die uns durch unsere Sinne und auch durch die Vernunft gesetzt sind. Die Botschaft des Christentums lautet im Kern: Wir sind gerettet, doch in der Hoffnung. (Vgl. Röm 8,24) Wir sind noch nicht am Ziel, in der Vollendung angekommen, aber wir sind dorthin unterwegs mit einer wunderbaren Botschaft und Verheißung. Die Hoffnung, die da drinsteckt, sie hält auf dem Weg, gibt Mut zum Durchhalten, zum Wiederaufstehen und Weitergehen, wenn man einmal hingefallen ist. Hoffnung schenkt dem Leben Dynamik, „power“ würden vielleicht manche heute sagen. Papst Benedikt XVI. hat in seiner Enzyklika „Spes salvi“ dazu geschrieben: „Wir brauchen die kleineren oder größeren Hoffnungen, die uns Tag um Tag auf dem Weg halten. Aber sie reichen nicht aus ohne die große Hoffnung, die alles andere überschreiten muss. Diese große Hoffnung kann nur Gott sein, der das Ganze umfasst und der uns geben und schenken kann, was wir allein nicht vermögen.“ (Nr 31) Hoffnung wächst also aus der Gottesbeziehung, und um die muss es uns gehen, im Heiligen Jahr und darüber hinaus. Nutzen wir die Angebote und Impulse, die es auch in unserem Erzbistum gibt, besonders die Wallfahrtsorte, die uns helfen wollen, unsere Beziehung zu Gott zu vertiefen. Haben wir den Mut, Menschen anzusprechen und einzuladen zu verschiedenen Formen von Gebet oder Glaubensgespräch, die uns wichtig sind. Ich weiß, wie schwer das fällt, aber ohne diese Bereitschaft zum Zeugnis wird sich der Glaube als Grundlage unserer Hoffnung nicht verbreiten können und wird immer weniger Menschen erreichen. „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt“, so lesen wir im ersten Petrusbrief (1 Petr 3,15).

Pilger sein, das heißt aber auch: Bescheiden und einfach unterwegs sein. Pilger leben nicht im Luxus und kommen nicht auf den Prachtstraßen daher, sondern sie gehen auf den Pilgerwegen, die oft staubig sind und unbequem und auch mal dazu zwingen, einen Umweg einzuschlagen. Wahrscheinlich haben wir als Kirche in unseren Zeiten genau das wieder neu zu lernen. Wir sind nicht die Besitzer der Wahrheit, die den anderen zeigen, wo´s langgeht, sondern wir laden ein, sich mit uns auf die Pilgerschaft zu begeben, weil wir von einer tiefen Hoffnung erfüllt sind.

Machen wir uns als Pilger der Hoffnung auf in dieses Heilige Jahr. Ich bin mir sicher: Hoffnung ist das, was diese Welt im Moment am dringendsten braucht, damit sie eine gute Zukunft hat.